Zum 130. Schützenfest im Jahr 2025 in Woltersdorf wurden zwei Ansprachen gehalten, die wir hier festhalten möchten – zum 130. Jubiläum der Schützengilde und zur Tradition des Schießsports in Woltersdorf haben Gildemeister Tobias Gauster sowie Schießsportleiter Dominik Schulz von der Schützengilde je einen historischen Rückblick verfasst:
130 Jahre Schützengilde Woltersdorf
Liebe Schützenbrüder, liebe Schützenschwestern, liebe Gäste,
wir schreiben das Jahr 1895. Im heutigen Deutschland herrscht das 1871 gegründete Kaiserreich. Staatsoberhaupt ist der König von Preußen, Friedrich Wilhelm der II. Die unteren Verwaltungsebenen an dieser Stelle sind Preußen, darunter folgt das Amt Lüchow. Hierzu gehört das Dorf Woltersdorf. Die Kaiser- Monarchie war, wie damals üblich, vom Militär geprägt. Es herrschte das Zeitalter der Hochindustrialisierung und wirtschaftlich war ein enormer Aufschwung zu erkennen. Die Gründung von Schützenvereinen fand zu dieser Zeit ihren Höhepunkt. Alte Gilden aus den mittelalterlichen Städten lebten wieder auf und kleinere Orte gründeten Vereine. Der Sinn und Zweck der auch in den Satzungen verankert war, war „die Ausübung des Schießsports und die Liebe zum Militärdienst zu erwerben“.
Die Schützengilde Woltersdorf gründete sich am 16. Juni 1895 durch deren erste Satzung. Dieser Tag war ein Sonntag, jedoch nicht Pfingsten, sondern 2 Wochen nach Pfingsten. Böse Zungen behaupten, dass bis 1895 für die Woltersdorfer Pfingsten Pfingsten war und ab 1896 Pfingsten Schützenfest war. Aber nur so die Legende.
Es gab 27 Gründungsmitglieder. Einige Nachnamen der Gründungsmitglieder sind heute noch in der Gilde zu finden oder haben Beziehungen zu den Namen: Wolter, Schubach, Eggers, Möller, Thiele oder Schulz. Wobei letzterer wohl kein Geheimnis ist. Gegründet wurde die Schützengilde jedoch nicht als Gilde, sondern als Schützenverein. Der Stellvertretende Landrat, Herr von dem Knesebeck, genehmigte die damalige Satzung am 12.09.1895 mit der Zeichnung: „gesehen“.
Es folgten Jahre in denen viele Schützenfeste gefeiert wurden und in denen der Schießsport ausgeübt wurde. Damals trug man wenn möglich einen schwarzen Anzug und eine ebenfalls schwarze Schirmütze. Die Funktioner hatten Scherpen, Degen waren ebenfalls vorhanden.
Mit Beginn des zweiten Weltkrieges lag in Deutschland das Schützenwesen im Dornröschenschlaf. Die Woltersdorfer Gilde gründete sich erneut im Jahre 1951. Es war ein völliger Neuanfang. Viele frühere Mitglieder waren im Krieg gefallen oder vermisst. Die vorherigen Traditionen mussten mit dem noch vorhanden Wissen weitergeführt werden oder eben neu eingeführt werden. Damals dabei waren viele Väter und Großväter der heutigen Mitgliedern. Einige Mitglieder, die schon vor dem Krieg in der Schützengilde waren, waren auch nach dem Krieg dabei. Die Gilde gründete für die alt verbliebenen Mitglieder die Zweite Kompanie.
Zu erwähnen ist hierbei Heinrich Wolter. Heinrich Wolter ist am 24. März 1917 geboren. Im Jahr 1935 trat er in die Schützengilde ein. Im Jahr 2015 wurde er für seine 80 jährige Mitgliedschaft geehrt. Am 28.11.2021 verstarb Major Heinrich Wolter im Alter von 104 Jahren und einer Gilde- Mitgliedschaft von 86 Jahren. Eine Rückfrage beim Deutschen Schützenbund, ob er denn das älteste Mitglied im Deutschen Schützenbund war oder die längste Mitgliedschaft inne hatte blieb leider ohne Erfolg. Die zweite Kompanie wurde 1970 aufgelöst.
Das letzte Schützenfest im schwarzen Anzug fand 1960 statt. 1961 war die Schützengilde mit den bekannten Uniformen neu eingekleidet worden. 1967 gründete sich unter der Leitung von Joachim Kracht die Mondscheinkompanie. Zu Jo Kracht später mehr. Seit 1969 bestand zwischen den Panzeraufklärern in der Lüneburger Theodor-Körner-Kaserne ein Patenschaftsvertrag. Das taktische Zeichen des Goldenen Reiters war mal ein Liedertitel der Neuen Deutschen Welle in den 80er Jahren, gesungen von Joachim Witt, als gedienter Panzeraufklärer. Der Titel ist wahrscheinlich auch noch heute den jüngsten unter uns bekannt.
Den jüngsten König der Vereinsgeschichte gab es 1970: Siegfried Wolter, genannt der Tapfere, hatte mit 20 Jahren die Königswürde inne.
Joachim Kracht und Hans-Joachim Danike hatten in den Jahren 1981/1982 wieder eine bedeutende Errungenschaft für die Gilde eingeführt. Es war die Wache. Seit 1982 gibt die Wache stets eine gute Figur beim Schützenfest ab. Eine Ehrenpforte ohne Wache wäre aus heutiger Sicht undenkbar. Kurz nach der Wiedervereinigung kam es schon zur Freundschaft zwischen den Gilden Salzwedel und Woltersdorf. Die Vereinsmitglieder Karl Kammradt und Joachim Kracht boten damals Ihre Unterstützung zur Wiedergründung der Salzwedeler Gilde an und waren maßgeblich an dieser beteiligt. 1995 wurde mit vielen Gästen das 100 Jährige Jubiläum der Schützengilde Woltersdorf gefeiert. Der Jubiläumskönig hieß damals Martin Grade, der Gewissenhafte.
Im Laufe der Zeit sind aus immer wiederkehrenden Prozeduren Traditionen entstanden. Zu den Traditionen gehören viele Dinge wie Beförderungen, das Feiern des Schützenfestes, Feiern mit unseren befreundeten Vereinen und so weiter. Diese Traditionen müssen weiter gelebt werden. Jedoch auch manchmal verbessert oder erneuert werden. Denn das Schützenwesen, das auch ein Weltkulturerbe ist, geht mit der Gesellschaft oder umgekehrt. So kam es, dass die Gilde im Jahre 2022 die Damen als vollwertige Mitglieder in die Satzung mit aufnahm. Zuvor war den Damen nur der Schießsport gestattet.
Im 130 jährigen Rückblick kann die Schützengilde Woltersdorf auf einige beachtliche Zahlen hinweisen. Ich möchte einige bemerkenswerte Ereignisse nennen:
- Die Gilde ist mit über 150 Vereinsmitgliedern der drittgrößte Verein im Kreisschützenverband Lüchow-Dannenberg.
- Hans-Jürgen Kammradt gehörte 50 Jahre lang zur Fahnengruppe. Das wird wohl unerreichbar bleiben.
- Tradition ist es, der Gilde einmal als König vorzustehen. Es gibt jedoch Könige, die waren zweimal König: Major Matthias Lüdemann und Oberst Dieter Wulf.
- Seit über 50 Jahren pflegt die Gilde Geschäftsbeziehungen zum Zeltwirt Mantau/ Pöhls. Oder anders gesagt: Unser Zeltwirt kommt seit über 50 Jahren zu uns.
- Auch unsere Musik, die Gruppe „Pfeffer und Salz“ ist seit etwa 20 Jahren dabei.
- Der Schießsport hat in 130 Jahren etliche Höhepunkte erreicht. Unser Schießsportleiter wird hierzu noch etwas erzählen.
- Vorsitzende des Kreisschützenverbandes Lüchow-Dannenberg waren aus unserer hießigen Gilde Oberst Karl Kammradt und Ehrenoberst Waldemar Schulz. Karl Kammradt war sogar für einige Jahre Landesschatzmeister des Niedersächsischen Sportschützenverbandes.
- Bereits seit 56 Jahren wird eine Freundschaft mit der Jägerkompanie der Schützengilde Lüchow gepflegt.
Die Freundschaft mit unseren Öringvereinen und den befreundeten Gilden und Vereinen wird seit vielen Jahren gelebt und ist auch für die Zukunft sehr wichtig. Das 125 jährige Jubiläum im Jahre 2020 viel wegen Corona leider ins Wasser, aber deswegen sind wir heute hier und feiern unser 130 jähriges Jubiläum.
Durch dieses kleine Resümee ist zu erkennen, welche Bedeutung das Schützenwesen für Land und Leute hat. Die Schützengilde ist eng verwurzelt mit der Gemeinde. Ohne Schützengilde gäbe es kein Schützenfest und kein Fasching für die Öffentlichkeit. Der Kneipenabend oder die Wappengruppe stammt ebenfalls aus der Feder der Schützengilde. Beim geselligen Schützenwesen entstehen Ideen, die das Leben einfach besser machen.
gez. Tobias Gauster
Mehr: Bilder, Majestäten und Programm des 130. Schützenfestes in Woltersdorf vom 6.-9. Juni 2025