Am 25.9.2015 veröffentlicht die Elbe-Jeetzel-Zeitung ein Portrait über Joachim Kracht und die Internetchronik brautstein.de
Der ausführliche Artikel über erschien am 25.9.2015 in der Lüchow-Dannenberger Elbe-Jeetzel-Zeitung auf der Seite 5. Verfasst wurde er von Benjamin Piel, Träger des renommierten Theodor-Wolff-Preis für Journalismus (2014).
Hier der vollständige Text zum Nachlesen:
Woltersdorfs Online-Chronist
Von Hamburg aus betreut und erweitert Joachim Kracht eine Internetseite über den Ort.
bp Woltersdorf/Hamburg
Hamburg-Harburg, ein Wohnviertel, Mehrfamilienhaus neben Mehrfamilienhaus, dazwischen ein paar Meter Grün. Eine Straße brummt in der Nähe, die Autos schieben sich hintereinander stadtein- und auswärts. Woltersdorf, Dorfmitte, auf dem Spielplatz schaukeln zwei Kinder, sonst ist niemand zu sehen, auch kein Auto.
Zwischen diesen zwei Welten liegen ziemlich exakt 100 Kilometer Luftlinie. 100 Kilometer, die das Stadt- vom Landleben trennen und die Joachim Kracht schon seit 7 Jahren nicht mehr zurückgelegt hat. Trotzdem beschäftigt sich der 69-Jährige beinahe täglich in seinem Wohnort, der Metropole Hamburg, mit dem kleinen Woltersdorf. Er hat die Internetseite www.brautstein.de entwickelt, auf der eine Chronik des Ortes, historische Bilder und Geschichten zu finden sind. Wer etwas zu Woltersdorf und seiner Geschichte erfahren möchte, wer sich Fotos aus längst vergangenen Zeiten ansehen oder eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen möchte, für den ist die Seite eine echte Fundgrube.
Kracht hat mehr als 50 Jahre in Woltersdorf gelebt, war im Krieg als Flüchtlingskind angekommen. Seine Mutter war vor den Russen aus Mecklenburg geflohen, Kracht auf der Flucht auf dem Hitzackeraner Weinberg geboren, dann zufällig bei einem Bauern in Woltersdorf gelandet. „Ich kannte Woltersdorf schon damals sehr gut, allein schon, weil wir so oft innerhalb des Ortes umgezogen sind“, denkt der frühere Zweite Vorsitzende der Woltersdorfer Schützengilde an damals zurück.
Seine Verbundenheit mit dem Dorf sei auch mehr als ein halbes Jahrhundert später noch „sehr stark – das ist so und das bleibt so“. Auch wenn er inzwischen seit 7 Jahren nicht mehr dort gewesen ist, keine Verwandten in Woltersdorf hat und bereits seit 20 Jahren in Hamburg wohnt. Mit 49 Jahren wurde der frühere Postmitarbeiter pensioniert, zog wenig später nach Hamburg, um sich in der Sicherheitsbranche selbständig zu machen. Als er in der Stadt ankam, schaffte er mit als erstes sein Auto ab, was es nicht leichter macht, nach Lüchow-Dannenberg zu kommen.
Die Idee für die Seite ist bereits vor 10 Jahren entstanden. Eigentlich hatte der Pensionär www.woltersdorf.de als Domainnamen verwenden wollen, doch der war schon vergeben.
Und weil die Sage vom Brautstein in Woltersdorf zum Allgemeinwissen zählt und der Brautstein im Wappen des Ortes zu sehen ist, entschied er sich 2006 für diese Variante. Das viele Material – Bilder, Karten, Urkunden -, das er übrigens bis heute auswertet, hatte er vor allem von der verstorbenen Marianne Gehrke, geborene Schulz, bekommen, mit der er zur Schule gegangen war. Auch auf andere Nachlässe stützt sich die Arbeit. „Da kann noch sehr Interessantes entstehen“, freut sich Kracht.
Seit zwei Jahren hat Kracht einen Mitstreiter: Jürgen Meyer aus Woltersdorf. Der kümmert sich vor allem darum, die Webseite bekannt zu machen, hat Aufkleber und Anstecker entwickelt. Außerdem besorgt Meyer immer wieder Material von älteren Woltersdorfern. Vor allem scannt er Bilder ein und schickt sie an Kracht. Nur im Team kann die Aufarbeitung der Woltersdorfer Historie so gut klappen. „Für die Hilfe von Jürgen Meyer bin ich sehr dankbar“, betont Kracht. Und viele Woltersdorfer und an Woltersdorf interessierte auch. Hin und wieder schickt einer einen Dank oder Worte der Anerkennung für die ehrenamtliche Arbeit.
Aber warum eine Internetchronik statt einer Chronik in Buchform? Der Technik fühlt sich der frühere Beamte schlicht mehr verbunden. Er war der erste Woltersdorfer, der bereits in den 1980er-Jahren einen Computer, einen Commodore PET 2001, hatte. Außerdem habe es den Vorteil, dass jeder problemlos auf das Material zugreifen könne.
Im Durchschnitt hat die Seite 1000 Klicks pro Monat. „Das hat sich innerhalb der vergangenen Monate richtig gut entwickelt“, freut sich Kracht.
Mit dem heutigen Woltersdorf beschäftigt sich Kracht kaum. Was sich neues ereignet, bekommt er nur am Rande mit. Es ist das Woltersdorf von früher, das ihn fasziniert und das ihm manchmal fehlt. „Wer so eine Seite macht, der lebt etwas rückwärts“, erklärt er und lacht.