Das traditionelle Martentien-Singen von Haus zu Haus in Woltersdorf zum 11. November – bzw. heute zu Halloween.
Woltersdorfer Jungs beim Martentinsingen 1963
(hier vor Keikenschulz in der Ziegeleistraße)
1. Wolfgang Wolter (Schnufdi), Dorfstr.; 2. Dieter Klein, Dorfstr. 3. Ernst Krohne, Dorfstr.; 4. Horst-Herbert Dammann, Dorfstr.; 5. Karl Bense, Dorfstr.; 6. Herbert Gauster, Dorfstr.; 7. Manfred Stödter, Ziegeleistr.; 8. Alfred Hildebrandt, Dorfstr.; | 9. 10. 11. Gerhard Schmidt, Ziegeleistr.; 12. Rainer Bauer, Ziegeleistr.; 13. Walter Lorenz, Ziegeleistr.; 14. Emma Keiken-Schulz, Ziegeleistr.; 15. 16. Eckhard Schmidt, Ziegeleistr. |
Marten, Marten Tien …
Joachim Kracht erinnert sich:
Bei uns in Woltersdorf hatte sich noch bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein, der alte Brauch des Martinssingens erhalten, der aber unter dem Begriff Martentien-Singen lief. Am Martinstag gingen wir Kinder – und dieses Privileg hatten an sich nur die Konfirmanden – von Haus zu Haus, um kleine Gaben zu erbitten. Hierzu sangen wir jedesmal in schönstem Plattdeutsch:
„Marten, Marten Tien
slacht´n fetten Swien.
Marten is een goden Mann,
de uns got wat gäben kann.
Appel un Beern mögen wi gern,
Plum un Brabeern ok so gern.
Gäwt uns wat un lot uns gon,
dat wi för Obend noch wierer kom!“
Wir bekamen Obst und Süßigkeiten und manchmal auch etwas Kleingeld. Besonders groß war dann die Freude, wenn dabei etwas silbern durchschimmerte. Damit war nämlich der nächste Kinobesuch in Lüchow gesichert, wo es Sonntagsmittags, um viertel nach Eins, in der Schauburg die neuesten Westernabenteuer von Fuzzy und Zorro zu sehen gab. Zwar in schwarz-weiss aber immerhin schon ab 12 Jahren zugelassen.
Natürlich kam es auch vor, daß wir vor verschlossenen Türen standen. Dann rächten wir uns durch lautes Absingen des Spottverses:
„Witt Zwern, swatt Zwern,
düs ol Lüde, de gevt nich gern!“
… hierzu etwas Geschichtliches:
Der Martinstag am 11.11. war wichtig auf dem Lande
Am 11. November feiern die evangelischen und die katholischen Christen den Martinstag. Anlaß hierfür ist die Legende vom Heiligen St. Martin:
„Martin von Tours, im Jahr 316 in Ungarn geboren, war Offizier des römischen Kaisers. Ihm begegnete in einer kalten Winternacht ein Bettler, der nur noch Lumpen auf dem Leib trug und vor Kälte wimmerte. Als Martin ihn sah, nahm er sein Schwert und schnitt damit seinen eigenen Mantel mitten durch. Die eine Hälfte gab er dem Armen, die andere Hälfte legte er sich selbst wieder um. In der folgenden Nacht soll dem Martin Jesus Christus im Schlaf erschienen sein. Er soll jenes Mantelstück getragen haben, das Martin dem Bettler am Abend gegeben hatte.
Martin ließ sich bald darauf im Alter von 18 Jahren taufen. Mit 40 Jahren quittierte er seinen Dienst im Heer, wurde Missionar und gründete später in der Gegend von Poitiers ein Kloster. Schließlich wurde er 371 – übrigens gegen seinen Willen – Bischof von Tours an der Loire in Frankreich, wo er 398 starb und sich auch heute noch sein Grab befindet.“
Durch diese Tat ist Martin zur Symbolgestalt für christliche Demut und Barmherzigkeit geworden. Für evangelische Christen ist der Tag zugleich bedeutsam, weil er der Tauf- und Namenstag Martin Luthers ist.
Besonders auf dem Lande war früher der Martinstag von besonderer Wichtigkeit. An diesem Tage erhielten die Mägde und Knechte ihren Lohn, da jetzt die Ernte eingebracht und der Wein gekeltert war. Der Martinstag bedeutete somit den Abschluß eines Wirtschaftsjahres. Gleichzeitig mußten aber auch die Abgaben an Zinsen und Pacht bezahlt werden. Viele Bauern leisteten ihre Abgaben nicht finanziell, sondern in Form von landwirtschaftlichen Produkten, z.B. einer Kuh, einem Schwein oder einer Gans.
Weil die Gänse oft vorher geschlachtet wurden, um dem Gutsherren einen fetten Gänsebraten zu servieren, wurden diese Gänse nach dem Namen des Tages, also Martinsgans genannt.
In vielen Gegenden erhalten die Kinder auch heute noch kleine Geschenke zum Martinstag.