Mit der Zerstörung der alten Bockwindmühle im Jahre 1923 ging auch in Woltersdorf diese Ära zu Ende. Die Zeiten hatten sich gewandelt und der Wind als Antriebsenergieträger war schon immer ein unsicherer Kandidat gewesen.
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Die neue Mühle
Damit die Woltersdorfer Bauern nicht mehr mit ihrem Korn zu den Mühlen nach Bösel oder Lichtenberg fahren mußten, wurde dringend der Neubau einer elektrisch betriebenen Mühle ins Auge gefasst. Von Vorteil war, dass man jetzt den Standort unabhängig vom Wind auswählen konnte. So fand dann die Mühle in der Ziegeleistraße gegenüber dem Molkereigebäude ihr neues zu Hause. In einem Anbau hatte sogar der Pritschen-Lkw Platz, mit dem der Müller einen Teil seiner Kunden beliefern, bzw. selbst Getreide bei den Bauern abholen konnte.
Das Grundstück, zu dem die Mühle gehörte, hatte mit seinen Gebäuden und Stallungen durchaus bäuerlichen Charakter, womit sich der Müller seine zusätzliche Selbstversorgung sicherte.
Der Müller
Joachim Kracht berichtet:
So weit ich mich erinnere, gehörte dieses Grundstück eine von den vielen Woltersdorfer Familien Schulz. Der unvermeidliche Beinamen zur Unterscheidung – hier Möller-Schulz – ist noch bis heute erhalten geblieben. Das Wohngebäude, dass längs zur Strasse steht, kann man für damalige Verhältnisse durchaus als stattlich bezeichnen, zumal es ganz aus gebrannten Klinkersteinen errichtet worden war. Der Lieblingshund des Müllers war ein Spitz. Sein Abbild, in Ton verewigt, befindet sich noch heute an der Zugangstreppe zum Wohnhaus.
Kinder vor der Mühle „Koch“
Irgendwann ging das Anwesen in den Besitz des Müllers Koch über, mit dessen Kindern ich befreundet war. Zu unserer größten Gaudi durften wir manchmal verbotenerweise hinten auf dem offenen Pritschenwagen, versteckt zwischen Mehl- und Schrotsäcken, zum Ausliefern auf die Dörfer mitfahren. Das hinterließ natürlich Spuren an der Bekleidung und meine Mutter war nicht immer begeistert. Zum Glück kannte sie aber die genauen Umstände nicht, sonst wäre ´mal wieder eine „Jagdreise“ mit dem Kochlöffel auf meinem Hinterteil fällig gewesen!
Ende des Mühlenbetriebs
Anfang der 60-er Jahre war es dann mit dem Mühlenbetrieb in Woltersdorf vorbei, denn der Getreideanbau war durch die Landwirtschaftsreform deutlich zurückgegangen und das große Höfesterben tat ein übriges dazu. Die Familie Koch zog nach Lüchow und übernahm dort ein Fischgeschäft. Das Mühlengrundstück wurde von einer Familie Wolf aus dem Lemgow übernommen, doch gemahlen wurde nun nicht mehr. Die Bauern mußten jetzt nach Lüchow fahren, um sich dort in der Mühle Behrens ihr Korn mahlen zu lassen.
(Recherche und Text: Jo Kracht)
Ziegeleistraße im Winter 1971
Blick in westliche Richtung. In der rechten unteren Ecke die Gartenpforte v. Grundstück Dr. Kelka, auf der linken Straßenseite die Eckgarage der neuen Mühle, dahinter die verschneite Einfahrt in den Wiesengang, gefolgt vom hervorspringenden ersten Anbau der Volksbank.